Bibeltext zum Sonntag 10. Mai aus der 1. Lesung, Apostelgeschichte 6,1-7:

In diesen Tagen, als die Zahl der Jünger zunahm, begehrten die Hellenisten gegen die Hebräer auf, weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden. Da riefen die Zwölf die ganze Schar der Jünger zusammen und erklärten: Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tischen widmen. Brüder, wählt aus eurer Mitte sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit; ihnen werden wir diese Aufgabe übertragen. Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben.

Der Vorschlag fand den Beifall der ganzen Gemeinde und sie wählten Stephanus, einen Mann, erfüllt vom Glauben und vom Heiligen Geist, ferner Philippus und Prochorus, Nikanor und Timon, Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia. Sie ließen sie vor die Apostel hintreten und diese legten ihnen unter Gebet die Hände auf. Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger in Jerusalem wurde immer größer; auch eine große Anzahl von den Priestern nahm gehorsam den Glauben an.

Impuls zum Sonntag

Alles auf Anfang. Und es hätte so schön sein können, damals, als alles losging.

Die Apostelgeschichte erzählt es uns, wie traumhaft es angeblich war in der Urgemeinde von Jerusalem: „Die Menge derer, die gläubig geworden waren, war ein Herz und eine Seele“ (Apg 4,32) – „Und alle die glaubten, waren an demselben Ort und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und teilten davon allen zu, jedem so viel, wie er nötig hatte.“(Apg 2,45f)

Wer kurz weiterliest kommt zur Lesung von heute:
„In diesen Tagen, als die Zahl der Jünger zunahm, begehrten die Hellenisten gegen die Hebräer auf, weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden.“ (Apg 6,1) – Der erste Streit!
Dass die Witwen ‚übersehen‘ wurden, ist wirklich nett gesagt.
Bei uns Kahlgrund würde es heißen: Das haben die extra (mit Absicht) gemacht!
Die Hebräer waren halt schon immer vor Ort, die kamen aus Jerusalem und Umgebung. Die Hellenisten waren die Zugezogenen. Sie haben Griechisch gesprochen.
Und sie werden von den Alteingesessenen einfach ‚übersehen‘.
Eventuell wurden sie auch ‚bewusst ignoriert‘ oder ‚ausgegrenzt‘.

Was damals in der Urgemeinde von Jerusalem nicht geklappt hat, war die ‚Versorgung‘ der hellenistischen Witwen.
‚Versorgung‘ – im Original steht das das griechische Wort: diakonia
– da kommt unser ‚Diakon‘ und die ‚Diakonie‘ her.
Vermutlich haben die Witwen also keine Armenfürsorge bekommen
und mussten Not leiden.
Eine andere Übersetzung von ‚diakonia‘ ist ‚Dienst‘ oder ‚Aufgabe‘.
Damals gab es in den christlichen Gemeinden das Amt der Witwe.
Es ermöglichte Frauen wichtige Aufgaben in der Gemeinde zu erfüllen.
Sie besuchten andere Frauen zuhause und unterstützten sie.
Es kann also auch sein, dass die Frauen nicht mit einem Ehrenamt ‚versorgt‘ wurden.

Gruppen in der Gemeinde, die sich benachteiligt fühlen.
Familien, die übersehen werden.
Ortsteile, die ungerecht behandelt werden.
Bereit sein zu etwas, aber nicht gefragt werden.
„Für uns wird eh kein Geld ausgegeben
oder genug Zeit investiert.“

Ich habe hier im Kahlgrund vieles dazu gehört.
Ich könnte ein Lied davon singen
– und es hätte (gefühlt) mehrere hundert Strophen.

Liebe Mitchristen,
wir werden in eine Zeit kommen,
in der viele Leute der Ansicht sein werden,
dass sie massiv zu kurz kommen,
dass sie benachteiligt werden.
Manchen Menschen wird das Nötigste zum Leben fehlen.
Manche werden ihre Arbeit verlieren, ihre Sicherheit, ihre gesellschaftliche Stellung. Anderen wird es weiter gut gehen.
Manche werden Hilfe bekommen, andere nicht.
Manche bekommen etwas vom Kuchen ab, andere nicht.
Manche werden die Aufmerksamkeit der Gesellschaft bekommen, andere nicht. 
Ich brauche nicht zu erklären, was das bedeutet, welche Folgen das hat.

Mir hilft die Erzählung aus der Urgemeinde.
Sie sagt mir: Konflikte können gelöst werden.
Es gelang damals, weil alle Seiten Entscheidendes dazu beigetragen haben:

  • Die Betroffenen halten nicht den Mund. Sie gehen zur Leitung und fordern Klärung ein.
  • Die Apostel diskutieren das Problem nicht weg, sondern stellen sich ihm. Sie unterbreiten einen Vorschlag, den sie der Gemeinde vorlegen. Sie bestimmen nicht einfach, sondern fragen die Gemeinde.
  • Die Betroffenen engagieren sich selbst dafür, dass ihre Witwen versorgt werden, indem sie aus ihren Reihen sieben Personen für diakonische Aufgaben bereitstellen.

Alle Seiten tragen Entscheidendes bei. Darin sehe ich auch für uns einen Weg:

  • Menschen geraten in diesen Zeiten unverschuldet in schwierige Lagen. Meine Hochachtung gilt jedem, der Unterstützungsbedarf anmeldet und Hilfe annimmt.
  • Unser wacher Blick für Notlagen in unsere Nachbarschaft und auch weltweit ist in nächster Zeit besonders wichtig. Ebenso eigene Initiativen, um die ungleiche Verteilung von Lebensnotwendigem auszugleichen.
  • Mit einem verstärkten Engagement unserer Kirchengemeinden im diakonischen Bereich, können wir unseren Teil dazu beitragen, die Folgen der Pandemie gut zu bewältigen.

Gottes Segen für Ihr eigenes und unser gemeinsames Suchen und Überlegen, wie wir zu einer guten Bewältigung der aktuellen Situation beitragen können.

Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen

Katja Roth, Pastoralreferentin