Alle drei Jahre hören wir am vierten Advent diese Lesung aus dem zweiten Buch Samuel. Ich weiß nicht, wie sehr diese alttestamentliche Lesung gewöhnlich angesichts des Evangeliums von der Ankündigung der Geburt Jesu durch den Engel Gabriel wahrgenommen wird. Daher heute gerade ein Blick auf diesen Bibeltext:

In jenen Tagen als König David in seinem Haus wohnte und der HERR ihm Ruhe vor allen seinen Feinden ringsum verschafft hatte, sagte er zu dem Propheten Natan: 
„Ich wohne in einem Haus aus Zedernholz, die Lade Gottes aber wohnt in einem Zelt.“
Natan antwortete dem König: „Geh nur und tu alles, was du im Herzen hast; denn der HERR ist mit dir.“
Aber in jener Nacht erging das Wort des HERRN an Natan: Geh zu meinem Knecht David und sag zu ihm: So spricht der HERR: Du willst mir ein Haus bauen, damit ich darin wohne? Seit dem Tag, als ich die Israeliten aus Ägypten heraufgeführt habe, habe ich bis heute nie in einem Haus gewohnt, sondern bin in einer Zeltwohnung umhergezogen. Habe ich in der Zeit, als ich bei den Israeliten von Ort zu Ort zog, jemals zu einem der Stämme Israels, die ich als Hirten über mein Volk Israel eingesetzt hatte, ein Wort gesagt und sie gefragt: Warum habt ihr mir kein Haus aus Zedernholz gebaut? Sag also jetzt meinem Knecht David: So spricht der HERR der Heerscharen: Ich habe dich von der Weide und von der Herde weggeholt, damit du Fürst über mein Volk Israel wirst, und ich bin überall mit dir gewesen, wohin du auch gegangen bist. Ich habe alle deine Feinde vor deinen Augen vernichtet und ich werde dir einen großen Namen machen, der dem Namen der Großen auf der Erde gleich ist. Ich werde meinem Volk Israel einen Platz zuweisen und es einpflanzen, damit es an seinem Ort wohnen kann und sich nicht mehr ängstigen muss und schlechte Menschen es nicht mehr unterdrücken wie früher und auch von dem Tag an, an dem ich Richter in meinem Volk Israel eingesetzt habe. Ich verschaffe dir Ruhe vor allen deinen Feinden. Nun verkündet dir der HERR, dass der HERR dir ein Haus bauen wird. Wenn deine Tage erfüllt sind und du dich zu deinen Vätern legst, werde ich deinen leiblichen Sohn als deinen Nachfolger einsetzen und seinem Königtum Bestand verleihen. Er wird für meinen Namen ein Haus bauen und ich werde seinem Königsthron ewigen Bestand verleihen. Ich werde für ihn Vater sein und er wird für mich Sohn sein.

Eigentlich reicht es, wenn man sich die beiden fett gedruckten Sätze zu Gemüte führt: Will ich Gott in den Griff kriegen oder bin ich bereit zu bemerken, dass Gott an mir handelt?

Der historische Hintergrund des Textes ist folgender: Die politische Situation ist solide, Davids Herrschaft hat sich stabilisiert. Nun geht es darum, Jerusalem als Hauptstadt auszubauen. Ein Tempel, ein Haus Gottes, eine schöne prachtvolle Kirche, das wär´s doch. Grundsätzlich ist das nichts Schlechtes. Dahinter stehen - auch - die Sehnsucht nach der Nähe Gottes und der Wunsch, dem Volk einen besonderen Ort zu geben, an dem der Aufenthalt Balsam für die Seele sein kann. David plant seine Hingabe, seine Ehrfurcht vor Gott mit dem Bau des Tempels zum Ausdruck zu bringen. Aber sicherlich geht es ihm auch um sein Image als König.

Die Antwort Gottes durch den Propheten Natan:

  1. Ich brauche kein Haus.

Ich bin Immanuel. Ich bin der Gott mit euch unterwegs auf alle Euren Wegen.
Die Grundlage der Glaubensgeschichte Israels wird benannt: Die Erfahrung des befreienden Gottes, der Unterdrückung nicht duldet.
Ja, Gott braucht kein Haus. Jesus kommt im Stall zur Welt.

  1. Ich baue dir ein Haus.

Es handelt sich um ein Wortspiel, denn Haus meint nun das Geschlecht Davids, seine Nachkommenschaft.
Nach dem Niedergang des Königshauses Jahrhunderte später wurde diese Verheißung immer stärker messianisch verstanden und schließlich von den Christen in Jesus als erfüllt angesehen. Denn durch seinen Vater Josef ist Jesus aus dem „Haus“ Davids.

  1. Es wird einen Tempel geben, aber erst Davids Nachkomme Salomo wird ihn bauen.

Das spiegelt die Erfahrung, dass unsere Überlegungen und Pläne nicht immer Wirklichkeit werden. Nicht alles, was wir wollen, können wir umsetzen. Aber manches was wir säen, kann vielleicht von anderen geerntet oder weiterentwickelt werden.

Der Text ist also nicht grundsätzlich gegen „Tempelbau“, aber er fragt nach der Motivation, auch im religiösen Bereich.
Wir erleben jetzt schon seit Monaten, dass unsere gemeinsame, religiöse Praxis aus dem Tritt geraten ist. Auch wer in der letzten Zeit die Eucharistie in einer Kirche mitgefeiert hat, wird dies anders erlebt haben. Ich weiß, dass das für viele - auch für mich - schmerzlich ist. Diesen Schmerz sollten wir nicht beiseite wischen, in dem wir entweder „Normalität“ zu spüren meinen in einer Situation, die nicht normal ist, oder in dem wir uns die Realität schön reden und uns über „Kreativität“ begeistern.
Denn wer kreiert? Wer er-schafft? Ja, wir sind Mitwirkende an der Schöpfung Gottes. Aber Gutes kommt nur zustande, wenn wir die Wirklichkeit sehen, damit uns in ihr Gott begegnen kann. In unseren festen Ansichten, in unseren Normen und Selbstbestätigungsritualen fällt ihm das schwer, bzw. fällt es uns schwer, ihn zu bemerken.
Für Davids geistliche Entwicklung, für sein Gespür für Gottes Wirken war es gut, dass er den Tempel nicht bauen konnte. Es blieb etwas offen …

Stefanie Krömker, Pastoralreferentin

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