Impuls zum 1. Fastensonntag, dem 21. Februar 2021, von Diakon Reinhold Glaser

Aus dem Heiligen Evangelium nach Markus (Markus 1,12-15)

In jener Zeit trieb der Geist Jesus in die Wüste.
Jesus blieb vierzig Tage in der Wüste und wurde vom Satan in Versuchung geführt.
Er lebte bei den wilden Tieren und die Engel dienten ihm.

Nachdem Johannes ausgeliefert worden war, ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach:
Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!

Evangelium unseres Herrn Jesus Christus.

Liebe Mitchristen,

das mit den Versuchungen ist so eine Sache. Das haben wir alle wohl schon erfahren. Vielleicht nicht so, wie es die der Evangelist Markus von Jesus schildert, aber auf unsere persönliche Art.

In religiösen Texten kann man etwa folgende Definition für "Versuchung" lesen:
Unter "Versuchung" versteht man alles, was unsere Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen und auch zu uns selbst zerstört!

Aber, gilt das überhaupt für uns Christen in der heutigen Welt? Oder ist das nicht vielmehr eine lehrbuchhafte Theorie, die mit dem Leben oder besser mit unserem Leben nicht viel zu tun hat?

Ich wage zu behaupten: Die oben benannte Definition für "Versuchungen" ist voll und ganz zutreffend. Ja, sie ist wohl zeitlos zutreffend.

Versuchung ist alles, was eine Beziehung zerstört!
In diesem kurzen Satz wird zunächst eines klar: Versuchung hat nichts damit zu tun, wenn man hin und wieder Pralinen nascht, wenn man seine Arbeit unterbricht, um bei einem Spaziergang die Sonne zu genießen oder wenn man in der Fastenzeit vor Lebensfreude tanzt.
Solche und ähnliche Beispiele können keine Beziehungen zerstören.

Versuchung ist alles, was eine Beziehung zerstört!
Doch blicken wir uns um in unserer Welt, da finden wir genug Beispiele für zerstörte Beziehungen:

  • aufgrund von Unnachgiebigkeit, nur weil man einem anderen einen Vorteil nicht gönnt
  • aufgrund von Unehrlichkeit, weil man einem anderen nicht die ganze Wahrheit sagt
  • aufgrund von Täuschung, weil man nur so von einem anderen etwas zu bekommen erhofft
  • aufgrund von Gewalttätigkeit, weil man so den Willen eines anderen bricht.

Die Liste kann wahrscheinlich jeder mit selbst erlebten oder beobachteten Beispielen fortsetzen.

Es sind dabei nicht unbedingt große und öffentlichkeitswirksame Handlungen, die Beziehungen zerstören. Es kann auch eine vermeintliche Kleinigkeit sein, etwa das Verdrehen der Wahrheit oder das Berichten von Halbwahrheiten, um selbst in einem besseren Licht zu erscheinen und einen anderen abzuwerten, ihn unglaubwürdig und unseriös aussehen zu lassen . Das machen uns die Zeitungen und Medien leider tagtäglich vor und wir stehen in der Versuchung, es im persönlichen Umfeld nachzuahmen.
Auch kann es eine Versuchung sein, sich selbst zu überfordern - etwa damit wir im Beruf oder in der Gesellschaft bessere Positionen bekommen. Wenn man dann den Anforderungen nicht gewachsen ist und eben überfordert ist, dann bleiben oft: ein zerstörtes Selbstwertgefühl bis hin zu der zerstörten eigenen Gesundheit, Unzufriedenheit und eben auch zerstörte persönliche und familiäre Beziehungen.

Dass es oft vermeintliche Kleinigkeiten sind, die Beziehungen zerstören, das sieht man auch ganz aktuell daran, wie wir mit den Veränderungen umgehen, die aufgrund der Corona-Pandemie auf uns zukommen:

  • Beachten wir wirklich immer die angebrachte Rücksicht auf andere und gestehen wir anderen eine persönlich größere Zurückhaltung und Vorsicht zu?
  • Nehmen wir an unserem Platz in Beruf, Gesellschaft oder auch im privaten Bereich die uns zukommende Verantwortung wahr, um andere vor der Gefahr einer Infektion zu schützen?
  • Helfen wir mit, die Folgen der Einschränkungen zu verringern
  • Halten wir uns selbst an Beschränkungen, um damit eine Verbreitung der Infektionen zu vermindern und die Zeit der Beschränkungen verkürzen zu helfen?

Es gibt leider zu viele Menschen, die der Versuchung erliegen und die sich aus Gleichgültigkeit, Rücksichtslosigkeit oder gar zu ihrem eigenen Vorteil den Infektionsschutzvorschriften verweigern. Solche Menschen weigern sich etwa Masken zu tragen, Quarantänemaßnahmen einzuhalten, oder auf unnötige Reisen und Kontakte zu verzichten und zerstören damit Beziehungen.

Versuchung ist alles, was eine Beziehung zerstört!
Ja, diese Definition ist aktueller denn je und es gibt heute vielleicht sogar viel mehr solcher Versuchungen, denen man erliegt und mit denen man Beziehungen zu anderen Menschen genauso zerstören kann, wie auch zu sich selbst in Form der eigenen Gesundheit, des Selbstwertgefühles und der eigenen Zufriedenheit.
Und wenn auch so mancher Christ heute nicht mehr in jedem Fall meint, sein Verhalten vor Gott rechtfertigen zu müssen, so gilt doch: alle, denen ihr Christsein wichtig ist, wissen, dass man durch das eigene Verhalten auch die Beziehung zu Gott beschädigen und sogar zerstören kann.

Daher: Gehen wir in diese österliche Bußzeit - oder wie wir sagen: Fastenzeit - und überlegen wir uns, wo wir unser persönliches Verhalten in all unseren Lebensbereichen überdenken und korrigieren müssen, um es zu vermeiden, dass wir Beziehungen zerstören.
Oder frei nach Markus:
Kehrt um und lasst uns wieder voller Überzeugung nach dem Vorbild Jesu leben!

Amen