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Vorwort zum Pfarrbrief Sommer 18 – Teil 1 - mein Lieblingsgedicht: Heimat und Sprache, Erlaubtes, Unerlaubtes und eine frohe Mutter

Die Aussage, wonach einem die eigene Sprache Heimat sei, scheint mir romantisch, auch etwas kitschig und überholt. Ich bin dreisprachig aufgewachsen und kann nicht behaupten, dass Rumänisch, Deutsch oder Ungarisch mir eine Heimat bieten würde. „Nicht Sprache ist Heimat, sondern das, was gesprochen wird", erklärt Jorge Semprún in seinem Buch „Federico Sánchez verabschiedet sich". Dieser Satz ist das Resümee des Emigranten Semprún während der Franco-Diktatur. „Denn alle Diktaturen, ob rechte oder linke, atheistische oder göttliche, nehmen die Sprache in ihren Dienst", ergänzt Herta Müller in ihrem autobiographischen Essay „Der König verneigt sich und tötet".

Als Schüler habe ich die verschiedenen Facetten der Sprache zu unterscheiden gelernt. Ich meine hier nicht Mundarten oder Dialekte, sondern die Absichten der Sprache. Zum Beispiel im politischen Unterricht gab es eine „offizielle" ideologische rumänische Sprache, die über das Sprechen ins Denken einfließen sollte. Wenn der politische Unterricht auf Deutsch stattfand, dann war es dieselbe Ideologie, die sich nur anderer Wörter bediente, um die gleiche Hirnwäsche zu betreiben. Dagegen halfen die Poeten und Propheten, die aus Wörtern eine andere Wirklichkeit schufen, als die Tristesse der sozialistischen Republik.

Mein Lieblingsgedicht seit vielen Jahren ist das „Lob des Ungehorsams" des DDR-Lyrikers Franz Fühmann (gest. 1984), wo nur das unartige Geißlein, das in den Uhrenkasten sprang, Rettung vor dem bösen Wolf findet.

Mihai Vlad

den Text des Gedichtes finden Sie unter: http://begegnungunddialog.blogspot.com/2012/04/lob-des-ungehorsams.html

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